Whataboutism - Gekonnte Ablenkung in der Klimadebatte

Was ist Whataboutism?

Whataboutism ist ein rhetorisches Ablenkungsmanöver: Dabei wird in einem Gespräch der Fokus vom eigentlichen Thema gekonnt abgewendet, um kritische oder unangenehme Themen zu umgehen oder Kritik auszuweichen. Anstatt sich auf Kritik einzulassen und sich seine eigenen Fehler einzugestehen, sucht man bei anderen anzusetzen und deren Fehler hervorzuheben. 

Beispiele für Whataboutism bei Klimafragen: 

  • Du lebst vegan. "Aber wieso fliegst du noch Flugzeug?"
  • Du lebst plastikfrei. "Aber wieso isst du noch Fisch?"
  • Du fliegst nicht Flugzeug. "Aber warum hast du noch ein Auto?"
  • Du gehst zur Klimademo. "Aber was ist mit dem ganzen Abfall, der durch die Demo ensteht?"
  • Du lebst nachhaltig. "Aber wieso hast du Kinder?"

Nachhaltigkeit ist nicht immer schwarz-weiss

Nachhaltigkeit ist ein verstricktes Thema, auf das es oftmals keine eindeutige Antwort gibt. Zumindest nicht mit den vorherrschenden politischen Rahmenbedinungen, die es uns so gar nicht ermöglichen, zu 100% nachhaltig zu leben. In der derzeitigen Realität muss man sich deshalb oft auf Kompromisse einlassen. Der Klassiker: Man steht im Supermarkt und hat die Wahl: In Plastik verpacktes Biogemüse oder unverpacktes Gemüse, welches mit Pestiziden kontaminiert wurde? Antworten auf Nachhaltigkeitsfragen zu finden sind daher oftmals keine schwarz-weiss Angelegenheiten und können des öfteren zu Kopfzerbrechen führen. Bis hin zu Ohnmanchtsgefühlen - einem Punkt bei dem man seine Handlungsoptionen als so beschränkt wahrnimmt, dass man in eine Art Starre gerät und so weitermacht wie bisher, weil man komplett überfordert ist. Weil man seine Handlungswirkung als derart unzureichend einschätzt, dass man es stattdessen ganz sein lässt. Im Sinne von: Was nützt es uns auf Einwegplastik zu verzichten, wenn die Kohlekraftwerke weiterhin in Betrieb sind? 

Dem vermeintlich ganzheitlichen Ansatz, der dahintersteht ist natürlich nichts vorzuwerfen. Den braucht es sogar, insofern sind diese Fragen sogar gerechtfertigt. Beim Whataboutism geht es aber um etwas anderes: Es geht darum, dass man den Fokus vom Problem weglenkt und auf ein anderes lenkt. Und indem man das tut, nie an einen Punkt kommt, wo man ein Problem kritisch auseinandernimmt und erforscht. Das Problem selbst wird dabei diskreditiert durch Umlenkung auf andere Probleme. Die dringend benötigten Lösungsansätze bleiben so aus. Man fühlt sich überfordert, und lässt es stattdessen ganz sein. Wieso sollte ich auch nachhaltig leben, wenn meine Mitmenschen sorglos weiterhin ihr Leben leben?

Solche Denkansätze sind fatal. Vor allem wenn diese in der Politik vorkommen. Bei Klimadebatten wirft man sich somit oftmals gegenseitig den Ball zu - sodass man sich dabei gekonnt aus der Verantwortung zieht. Klimagesetze kommen so nur sehr schleppend voran. Gespräche rund um das Klima sind zudem oftmals emotional sehr aufgeladen. Anstatt sich seine eigenen Fehler einzugestehen, wird jegliche Kritik abgewendet. So kontert man mit Gegenfragen, anstatt sich mit dem eigentlichen Problem kritisch auseinanderzusetzen, seine Rolle darin anzuerkennen und nach möglichen Lösungsansätzen zu suchen. Denn anstatt Lösungen zu finden, begibt man sich lediglich auf die Suche nach einem Sündenbock, was jeglichen Fortschritt verhindert. Sowie auf privater wie auch politischer Ebene. 

Durch Whataboutism wird die Klimadebatte derart vernebelt, dass man am Ende gar nicht mehr weiss, was richtig und was falsch ist. Was jetzt im Endeffekt überhaupt besser ist. Anstatt also zumindest einen Schritt in die richtige Richtung zu machen, passiert also am Ende gar nichts.

Ganz im Sinne von: Wieso das eine Problem lösen, wenn das andere weiterhin existiert?

Menschen, die versuchen nachhaltig zu leben, werden dabei besonders oft zur Zielscheibe von Whataboutism. Denn die Erwartungen sind gegenüber ihnen besonders hoch und durch fingerpointing kann man anstatt bei sich selber anzusetzen, bei anderen stattdessen den Anspruch pflegen perfekt zu sein und es dadurch vermeiden, sein eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen und dadurch Verantwortung abgeben.

Nichtsdestotrotz, ist es wichtig, kritisch zu bleiben, und eine ganzheitliche Sicht auf die Dinge zu bewahren. Insofern haben kritsche Fragen durchaus ihre Berechtigung. Das ist aber nicht der springende Punkt beim Whataboutism. Denn dort geht es lediglich um ein Mittel zum Zweck, sodass man verhindern kann, dass man sich selber mit unangenehmen Fragestellungen auseinandersetzen muss, die einem womöglich ein Umdenken abverlangen.

Kritisches Hinterfragen als Zweck an sich, herausgelöst von Whataboutism, ist hingegen nichts auszusetzen, sondern sogar wünschenswert. Solange es einem nicht davon abhält aktiv zu werden. 

Ja wir brauchen radikale Verwänderung. Systemwandel. Aber jeder Schritt vorwärts ist immer noch besser, als an dem Punkt zu stagnieren, wo wir jetzt sind und auf den technologischen Durchbruch oder die politische Reform zu hoffen, welche die Welt zu retten vermag.

Tipps und Anregungen

Im Anschluss habe ich noch ein paar Tipps und Anregungen zusammengestellt, was man am Besten gegen Whataboutismtun kann:  

  • Setze bei dir selber an

Anstatt bei anderen den Anspruch zu hegen perfekt zu sein in Sinne der Nachhaltigkeit, sollte man besser erstmal bei sich selbst ansetzen. Entziehe dich nicht deiner Verantwortung indem du die Fehler bei anderen suchst. Übernehme dadurch Eigenverantwortung.

  • Bewusstsein schaffen

Werde dir deines Abwehrverhaltens bewusst und hinterfrage, woher diese Reaktion kommt. Informiere dich über das Thema whataboutism – wenn du weißt was es ist und dass es dieses Phänomen gibt, dann kannst du es auch umgehen, selber whataboutism zu betreiben. 

  • Den Perfektionismus verabschieden

In einer nicht-nachhaltigen Welt, kann man nicht perfekt nachhaltig leben. Man kann aber die richtige Richtung angeben, sein Bestes tun, dort wo man kann, und wo es die eigenen Mittel erlauben. Wenn man den Anspruch aufgibt, perfekt sein zu wollen, erschafft das viel mehr Handlungsspielraum und man verhindert damit Gefühle der Überforderung und Ohnmacht.

  • Konfrontation

Personen, welche Whataboutism betreiben, direkt konfrontieren und dabei nicht auf die Ablenkung eingehen. Stattdessen direkt fragen: "Wieso lenkst du vom Thema ab?". Den Diskurs suchen und den Fokus zurück aufs Ursprungsthema lenken.

  • Nutze deine Stimme

Das Beste was wir tun können ist immernoch unsere eigene Stimme nutzen. Politisch aktiv werden, um auf grösserer Ebene etwas zu bewirken. Gemeinsam können wir den Fokus setzen und beteiligte Akteuren weniger Spielraum für Ablenkung ermöglichen.

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